Umkleidezeiten

Sind Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeit?

Mit dieser Frage beschäftigt sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. September 2012, 5 AZR 678/11. In dieser Entscheidung ging es um Krankenschwestern im OP-Dienst, die nach dem Durchgang durch die Krankenhauseinfahrt in den Keller des Gebäudes in einen sogenannten Umkleideraum gehen müssen, um die Berufskleidung anzuziehen. Danach müssen sie sich in das Dachgeschoss des Klinikgebäudes begeben, in dem sich der OP-Bereich befindet. Dort ziehen sie sich entsprechend der arbeitgeberseitigen Weisung und Hygienevorschriften die Berufskleidung wieder aus und legen die entsprechende OP-Bereichskleidung an und desinfizieren die Hände. Zusätzlich zu der eigentlichen Arbeitszeit fiel durch Umkleiden, Wege und Desinfektion Zeitaufwand an. Die eben bezeichneten OP-Schwestern waren aus hygienischen Gründen angewiesen, diese Umkleidevorgänge und Wege zurückzulegen, bevor sie die eigentliche Arbeit aufnahmen. Aus hygienischen Gründen war es ihnen auch nicht möglich, die Kleidung zu Hause oder außerhalb der Arbeitsstelle anzulegen. Die Dienstgeberin hatte zum Umkleiden eigene Räume vorgegeben und angewiesen, sich dort umzuziehen, um jeweils nach dem Entkleiden die Kleidung auch jeweils in die Schmutzwäschebehälter in den jeweiligen vorgegebenen Räumen zu verbringen. Mit dem jeweiligen Umkleiden bei Aufnahme der Tätigkeit und den Wegezeiten sowie bei Beendigung der eigentlich vertraglich geschuldeten Leistung und den damit erforderlichen Umkleide- und Wegezeiten fielen nicht unbeachtliche Zeitaufwendungen an. In oben genannter Entscheidung wollten die OP-Schwestern geklärt haben, ob es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit handele, oder die Umkleidezeiten nicht von der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und die innerbetrieblichen Wege reine Wegezeit und nicht vergütungspflichtige Arbeitszeit sei. Dieses galt es zu klären.

Das Bundesarbeitsgericht setzte sich dabei mit dem Begriff der „Arbeitszeit“ und dem Begriff der geschuldeten Arbeit wie folgt auseinander:
Da § 1 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeit als eine Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen definiert, stellt sich die Frage, ob die streitgegenständlichen Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten Arbeit sind. Soweit der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorgebe und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss, liegt diesem eine Weisung des Arbeitgebers zugrunde, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause oder ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt. Dadurch wird die Fremdnützigkeit des Umkleidens deutlich.

Dies wird beim Tragen von Berufs- und Bereichskleidung der Beschäftigten im OP-Bereich allein dadurch zwingend, da das Anlegen außerhalb der Dienststelle aus hygienischen Gründen nicht denkbar ist. Da Arbeit jede Tätigkeit ist, mit der fremde Bedürfnisse bedient werden sollen, wird deutlich, dass mit dem weisungsgemäßen Umkleiden und den damit verbundenen innerbetrieblichen Wegen die Voraussetzungen für vergütungspflichtige Arbeit erfüllt sind. Davon abzugrenzen ist die Zeit, die Arbeitnehmer/innen für den Weg von der Wohnung bis zu der Stelle, an der die Arbeit beginnt, also bis zu der Stelle, an der Arbeitnehmer/innen in der Dienststelle Weisungen befolgen. Hierbei handelt es sich um reine Wegezeit, die nicht als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu qualifizieren ist. Im vorliegenden entschiedenen Fall ist danach als Wegezeit die aufgewandte Zeit von der Heimatadresse bis zum Anlegen der Dienstkleidung im Tiefparterre der Klinik zu qualifizieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Umkleidezeiten an der Arbeitsstelle und innerbetriebliche Wege dann vergütungspflichtige Arbeitszeit sind, wenn sie aufgrund der Befolgung von Weisungen des Arbeitgebers anfallen. Ist es dem/der Arbeitnehmer/in möglich, mit der Arbeitskleidung zum Arbeitsplatz zu kommen, um die eigentliche vertraglich geschuldete Arbeitsleistung aufzunehmen, handelt es sich jedoch um nicht vergütungspflichtige Wegezeiten. Der/die Arbeitnehmer/in kann nur dann nicht verpflichtet werden, bereits mit einer bestimmten Arbeitskleidung am Arbeitsplatz zu erscheinen, wenn es eine sehr auffällige Arbeitskleidung ist und es deshalb dem Arbeitnehmer unzumutbar ist, mit dieser Arbeitskleidung den Weg zur Arbeit aufzunehmen. Soweit dies der Fall wäre, wäre die dann erforderliche Umkleidezeit an der Arbeitsstelle vergütungspflichtige Arbeitszeit.